Der entfesselte Blitz
Wer sich näher mit der Kunstlichtfotografie beschäftigt, sollte unbedingt probieren, den Blitz zu entfesseln, d. h. von der Kamera zu lösen und im Raum zu positionieren. Man erhält dadurch ein völlig anderes, meist viel geeigneteres Licht. Man kann hierbei auch Lichtformer nutzen, oder aber man setzt auf ein sehr prägnantes Theaterlicht. Und natürlich lassen sich auch mehrere Lichtquellen zugleich auslösen.
Eine Lichtquelle, welche direkt auf der Kamera positioniert ist – also direkt aus der Blick- und Fotografierrichtung beleuchtet – besitzt einige Nachteile:
- Durch das frontale Licht kommt es schnell zu unerwünschten Spiegelungen (z. B. auf der Stirn von Porträtierten).
- Schattierungen werden „weggeblitzt„, d. h. Formen und Konturen kommen weniger zur Geltung – Gesichter beispielsweise erscheinen viel breiter, hell wie Mondgesichter.
- Da das Licht in seiner Intensität schnell abnimmt, sind hintere Bildbereiche viel dunkler dargestellt als vordere.
- Insgesamt wirkt alles unlogisch – So kennen wir natürliches Licht nicht.
Für eine Sache ist das direkte Licht eines auf der Kamera positionierten Blitzgerätes jedoch gut – für das Aufhellen von Schatten. Ansonsten wäre eine etwas zur Kamera versetzte Position der Lichtquelle eigentlich immer besser zum Beleuchten des Motivs geeignet. Wir kennen dies ja auch kaum anders aus der Natur: Die Sonne scheint fast nie direkt aus unserer Blickrichtung sondern ist fast immer seitlich und erhöht positioniert.
Bei diesem Vergleichsbild wird schnell sichtbar, wovon ich rede: Links wurde frontal geblitzt. Rechts wurde die selbe Leuchtquelle einfach zwei Meter seitlich positioniert. Der Unterschied zwischen den Bildergebnissen ist frappant:
Mein Model wirkt auf der Version mit der seitlich positionierten Lichtquelle schlanker, es wirkt nicht so seltsam grell, Schattierungen (z. B. Hemdfalten) kommen viel besser zur Geltung. Das gesamte Foto wirkt natürlicher (jedoch immer noch markant theatralisch beleuchtet). Allerdings gibt es dafür auch einen Lichtabfall nach links und Schatten „saufen“ ab.
Wäre ich Fotograf für ein Magazin und müsste interessante Interview-Typen fotografieren – Schriftsteller, Schauspieler, Provokateure und dergleichen: genau so würde ich dies machen. Ist einem dieser Look zu hart, muss man einen Lichtformer vor das Blitzgerät setzen (z. B. eine Softbox).
Ich weiß: Der auf die Kamera gesteckte TTL-Automatikblitz ist schon eine sehr bequeme und auch nützliche Angelegenheit. Die Möglichkeiten des Entfesselns jedoch sollten – wenn Zeit und Raum zur Verfügung stehen – nicht übersehen werden.
Wer entdeckt das Blitzgerät? In der Spiegelung im Fenster ist es zu erahnen. Ich hatte es links vor dem Toaster versteckt und auf eine weiße Wand gerichtet (→ indirekter Blitz). Erst durch das seitliche Licht wird die Struktur des Kettenhemdes meines Pantoffelheldes prägnant genug dargestellt. Die weißen Wände dienen als Aufheller für die anderen Seiten: Ein einziger kleiner, simpler Blitz reichte für dieses schöne Portrait also völlig aus. Es musste aber entfesselt werden:
Entfesseln via Funkauslöser
Damit man das Blitzgerät gescheit entfesseln kann, gibt es Funkauslöser:
Der Sender (links) wird einfach in den Blitzschuh der Kamera gesteckt. Die Empfänger (rechts) gehören je auf den Fuß eines Blitzgerätes. Ganz einfach. Natürlich kann man somit auch mehrere Blitze synchron auslösen.
An meinen Funkauslösern lassen sich auch die Kanäle (Frequenzen) verstellen. Denn man möchte ja nicht, dass der Nachbar mit den selben Modellen die eigenen Blitzgeräte auslöst. Bereits solche preisgünstige Auslöser (siehe Abbildung) besitzen heute eine recht hohe Zuverlässigkeit und Reichweite.
Dafür hat man allerdings weitere Technik, für die man stets Ersatzbatterien bereit halten muss. Einige Blitzgeräte besitzen jedoch bereits einen integrierten Funkempfänger. Das ist sehr praktisch. Für ein Ensemble allerdings müsste man dann mehrere dieser proprietären Geräte betreiben. Nutzt man Funkauslöser, kann man direkt darauf auch alte Flohmarkt-Blitzgeräte nutzen.
Teurere Funkauslöser übertragen auch die TTL-Signale der Kamera an die Blitzgeräte. Hierbei ist also weiterhin ein völlig automatisches Blitzen möglich – Überbelichtungen werden durch die Kamera verhindert.
Es gibt universelle Funkauslöser-Systeme: Diese funktionieren mit allen Kameras / Blitzgeräten mit dem Standard-Schuh bzw. -Fuß. Denn bei ihnen wird lediglich der Mittenpin am Fuß zur Übertragung genutzt: Entweder wird ausgelöst oder nicht. Eine automatische Übertragung von Kamera-Messdaten findet dabei nicht statt. Man kann mit ihnen also nur im manuellen Modus blitzen.
Und dann gibt es eben die teureren TTL-Funkauslöser. Diese jedoch sind je an einen ganz bestimmten Hersteller bzw. an dessen TTL-System gebunden. Ggf. funktionieren sie auch bei Fremdsystemen – dann aber auch nur im manuellen Modus.
VBESTLIFE433MHZ 16-Kanal Funk Blitzauslöser Set mit Universal Blitzschuh,1 Sender und 2 Empfängern für, Nikon, Pentax | Neewer FC-16 Mehrkanal 2,4GHz 3-IN-1 drahtlos Blitz / Studio Blitzauslöser mit Fernauslöser | Yongnuo YN622C II Transceiver für Canon (TTL, HSS, 7 Kanäle) Schwarz |
Die günstigsten Funkauslöser sind bereits ausreichend, den Blitz zu entfesseln, sofern man nicht gerade durch dicke Wände oder über weitere Entfernungen auslösen muss. Auf eine TTL-Funktion muss man verzichten - aber diese wird beim manuellen Blitzen ja ohnehin deaktiviert. | Preiswerter aber zuverlässiger Funkauslöser für manuelles Blitzen. Das Set beinhaltet einen Sender und einen Empfänger. Der Sender wird auf die Kamera gesteckt (Blitzschuh mit Mittenpin) und der Empfänger je unter das Blitzgerät. Dies ist eine günstige Partie, an ein qualitativ gutes Auslöseset zu kommen. | TTL-Funkauslöser (für Canon oder Nikon).: Diese Geräte sind teurer als manuelle Auslöser, da sie auch die Messdaten der Kamera an den Blitz übertragen und dieser die Lichtleistung daraufhin automatisch regelt. Außerdem kann bei schnellen Zeiten (HSS) geblitzt werden. |
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Ich denke, in den meisten Situationen, bei denen Kunstlicht geflissentlich eingerichtet- und positioniert wird, wird man nach Sicht fahren – also im manuellen Blitzmodus fotografieren. Einmal aufgebaut, soll sich die Leuchtstärke ja zumeist nicht mehr ändern. Hier braucht es keine Automatiken.
Hinweis: Wer draußen bei hellem Sonnenschein bzw. mit besonders kurzen Belichtungszeiten Blitzen möchte, sollte prüfen, ob die Auslöser auch bei schnelleren Zeiten oder gar bei ›HSS‹ (Highspeed Synchronisation) Blitz und Kamera korrekt synchronisieren. Dies funktioniert bei vielen Universal-Systemen nicht.
Diese Werkstatt liegt parterre. Da hatte ich einfach ein weißes Bettlaken vor die Fenster gehangen und von draußen hindurch geblitzt. Bereits meine mittelmäßigen Blitz-Funkauslöser besitzen eine genügend hohe Reichweite und sind für solche Porträts sehr gut geeignet.
Entfesseln via Slave-Zellen
Es gibt noch eine weitere, sehr kostengünstige Möglichkeit, ein Blitzgerät zu entfesseln: Man benötigt hierzu jedoch eine Hauptblitz bzw. eine Kamera mit integriertem Blitz. Und dann benötigt man noch so einen kleinen Adapter:
Diese kleinen Dinger nennt man »Slave-Auslöser«. Man steckt das Blitzgerät direkt darauf. Es gibt aber auch Slave-Zellen mit Kabelanschluss x.
x Das Kabel darf nur kurz sein, da der durch Licht erzeugte elektrische Impuls äußerst schwach ist.
x Es empfiehlt sich hierbei, den eingebauten Kamerablitz über das Konfigurationsmenü der Kamera auf manuell bei möglichst schwacher Leistung zu stellen. Er soll ja nicht das Hauptlicht darstellen. Alternative: Man kann sich einen kleinen Reflektor bauen, welcher das Licht über die Raumdecke lenkt, falls vorhanden.
Die Sache funktioniert jedoch nur in einer eher dunkleren Umgebung und die Lichtzelle darf nicht verdeckt sein. Direkte Sicht zum »Masterblitz« muss aber auch nicht bestehen, sofern es im Raum Reflexionsflächen gibt, welche das Licht des Masters zur Slavezelle leiten.
Mit dieser simplen und kostengünstigen Technik können auch mehrere Blitzgeräte zeitgleich ausgelöst werden. Mittels Slavezellen ist aber nur manuelles Blitzen möglich. TTL-Signale können hierbei natürlich nicht übertragen werden. Außerdem darf natürlich niemand anderes in der Nähe sehr kurze und sehr helle Lichtsignale aussenden.
Bei dieser schönen Produktfotografie richtete ich einen via Funkempfänger entfesselten Blitz schräg hinter mir auf eine weiße Zimmertür. Dies ergab bereits ein schönes weiches Licht mit einer adretten Reflexion im Objektiv der Analogkamera. Hinter dem Schirm befand sich mein Effektlicht: Ein manuell stark nach unten regulierter alter Aufsteckblitz, an den ich einfach nur eine Slave-Zelle gesteckt hatte. Er blitzte synchron mit dem Hauptlicht mit. Ganz hinten ist ein schwarzes Tuch gespannt (der Raum war nicht finster x).
Am einfachsten lässt sich ein externer Blitz mit einem solchen "Servo-Auslöser" entfesseln: Der kamerainterne Blitz (Master) oder ein anderer blitzt und innerhalb eines Sekundenbruchteiles leuchtet ein anderer (oder mehrere) mit. Dies kann auch ein simpler »Flohmarktblitz« sein. So lassen sich beispielsweise ganz einfach ganze Räume ausleuchten.
x Allerdings musste ich bei dieser Aufnahme das schwarze Tuch innerhalb der nachträglichen Bildbearbeitung abdunkeln, denn durch das Blitzen über eine Reflexionsfläche (hier die Tür) streut das Licht ungemein im Raum und hellt vieles ungewollt auf.
Es werden übrigens auch einige Blitzgeräte mit bereits integrierter Lichtzelle angeboten – eben genau für solch einen Zweck. Meist sind es recht günstige Universal-Blitzgeräte.
Hinweis: Wird als ›Master‹ ein auf TTL-Automatik geschalteter Blitz verwendet, wird dieser einen Vorblitz zur Messung abgeben. Dummerweise wird dieser Vorblitz bereits die Lichtzelle reizen und der damit verbundene ›Slave‹ wird zu früh zünden.
Daher eignet sich diese Technik entweder nur für das manuelle Blitzen, oder aber die Slave-Zelle besitzt einen speziellen Vorblitz-Modus – meist als »S2« bezeichnet.
Stative und Halterungen
Auch Aufsteck-Blitzgeräte kann man recht gut auf die üblichen Fotostative schrauben: Es gibt hierzu diverse Adapter für den Blitzfuß. Meine Funk-Empfänger besitzen unten bereits so ein Gewinde – sehr praktisch.
Ich nutze mehrerer dieser einfachen Leuchtenstative. Sie lassen sich viel höher ausfahren als Kamerastative und sind deutlich günstiger.
Tipp: Ich achte bei Stativen darauf, dass sie Schraub-Arretierungen besitzen und keine Klemm-Arretierungen. Diese werden nämlich irgendwann abbrechen.
Es gibt auch diese praktischen Gorillapods. Das sind sehr kleine Stative mit flexibel biegbaren Beinen. Diese eignen sich sehr gut dazu, um ein Blitzgerät flink beispielsweise an einem Laternenpfahl, einem Ast oder ähnlichem fixieren- und ausrichten zu können.
Praktisch sind solche kleinen Kugelköpfe. Denn damit kann ein Blitzgerät hoch oben auf einem Stativ auch nach unten gerichtet werden.
Dieser Kugelkopf besitzt zudem eine Halterung für einen Blitzschirm (s. u.)
Solch ein Lampenstativ ist sehr weit ausfahrbar und bietet genügend Stabilität für Blitzgeräte nebst Schirm oder kleinerer Softbox.
Schirme und Softboxen
Mit einem Bein stehen wir jetzt schon im Fotostudio: Denn wenn man einem entfesselten Blitzgerät auch noch eine große Leuchtfläche x verpasst, hat man praktisch bereits eine sehr taugliche Lichtquelle für Porträts oder für die Produktfotografie.
x Je größer die Leuchtfläche, desto weicher das Licht.
Ich nutze gerne diese Blitzschirme (siehe auch → Blitzen mit Lichtformern). Mit ihnen ist man sehr mobil und sie sind in Windeseile ausgeklappt bzw. installiert. Apropos: Bei Wind werden alle diese Lichtformer umkippen. Dies ist leider ein generelles Problem und es lässt sich am besten mit Assistenten lösen.
Auch mit so einem simplen Faltdiffusor lässt sich das harte Licht des Blitzgerätes »weich machen«, indem man entweder hindurch- oder dagegen blitzt.
Oben hatte ich die Abbildung eines kleinen Mini-Kugelkopfs mit Schirmhalterung gezeigt. Deutlich besser geeignet sind solche Halterungen, wie hier abgebildet. Denn diese winzigen Kugelköpfchen lassen sich nicht gescheit arretieren.
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Dies ist ein günstiger Blitzgeräte-Halter mit Schirmaufnahme und Stativanschluss – ideal für kleinere Studios bzw. für einen mäßigen Einsatz. | Dieser besonders große Blitzschirm besitzt eine wechselbare Oberfläche: Entweder nutzen Sie ihn als Durchlichtschirm oder als Reflexionsschirm. In beiden Fällen erhalten Sie ein wesentlich weicheres Licht mit nur einem Kompaktblitz. | Mit dieser stabilen Halterung für Blitzgeräte lassen sich Schirme und alle Lichtformer (Softboxen) mit dem weit verbreiteten »Bowens-Bajonett« mit jedem Standard-Blitz verbinden – ohne Wackeln. |
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Gedanken zum Lichtcharakter hierbei
Eingangs bin ich bereits auf den typischen Tatort-Blitzlook eingegangen, welcher durch das direkte Blitzlicht erzeugt wird mit all seinen visuell unschönen Nachteilen. Packt man sich aber seine Kunstlichtquelle und positioniert sie nur wenige Meter schräg entfernt, erhält man plötzlich einen völlig anderen Lichtcharakter – also völlig andere Bilder:
Wie ein Theaterlicht wirkt das entfesselte Blitzlicht bei dieser S/W-Fotografie. Ich gewann durch diesen einfachen Schritt ein deutliches Maß an Dramatik. Dies liegt am recht dunklen Raum, am weiterhin harten Licht (kein Schirm / keine Softbox) und natürlich am Winkel, bei welchem das Licht auf mein Motiv fiel: Schatten entstanden dadurch – viele, prägnante Schatten. Ich hoffe, mein Fotomodel hat nichts dagegen, dass ich diese Abbildung jetzt mit einem würzigen Appenzeller vergleiche.
Wünscht man jedoch einen milden Graskäse, muss man hierbei einfach nur einen Lichtformer mit großer Fläche vor dem Blitzgerät installieren – im einfachsten Fall einen Blitzschirm. Man kann auch einfach einen Faltreflektor nehmen und diesen zum Aufhellen der Schatten gegenüber positionieren. Schon wird das Licht viel sanfter wirken, der Charakter des Bildes wäre ein ganz anderer – würde aber niemals so platt wirken wie beim direkten Blitzen.
Man kann auch die Lichtrichtung verändern, indem man das Blitzlicht auf dem Stativ etwas höher positioniert und nach unten richtet – empfehlenswert übrigens bei Brillenträgern, damit es keine Spiegelungen in den Gläsern gibt.
Beleibte Personen erscheinen bei einem schräg einfallenden Licht plötzlich deutlich schlanker, Schriftsteller charismatischer, Politikerinnen dynamischer usw. – Sie kennen diese Porträts. So etwas schafft man mit dem entfesselten Blitz.
Fazit
Der Autor mit per Funkempfänger entfesseltem Blitzlicht in der Hand.
Es lohnt sich, sich so einen kleinen Funkauslöser für das Blitzgerät zu besorgen, um dieses aus der Blickachse nehmen zu können. Man erhält durch diesen kleinen Eingriff völlig andere Bilder. Jede kleine Positionsänderung bewirkt einen leicht anderen Look. Wenn Sie bisher gelernt haben, was man an einer modernen Digitalkamera alles einstellen kann – Mit dem Verändern und Kontrollieren des Lichtes beeinflussen Sie viel mehr bei Ihren Fotografien.