Manuelles Blitzen
Dank Automatikfunktionen bzw. TTL-Blitz ist man heute nicht mehr zwingend auf das manuelle Blitzen angewiesen. Aber insbesondere im Studio ist dies die bevorzugte Variante. Dieses Thema ist auch deswegen so interessant, weil man dadurch überhaupt erst ein Gefühl für die maximale Leistung bzw. für die Grenzen seiner Technik erlangt.
Wenn Sie gerade Ihre Digitalkamera vor sich haben und darauf ein typisches Blitzgerät mit ›normaler‹ Leistung, dabei vielleicht in einem Raum sitzen mit ›normaler‹ Deckenhöhe (aber weiß gestrichen), dann …
- stellen Sie doch bei Ihrer Kamera im Modus M die Empfindlichkeit des Sensors auf ISO 100 ein,
- die Blende des Objektives auf f/5.6 (Brennweite egal),
- die Belichtungszeit fest auf die 1/125 Sekunde,
- den Blitz ebenfalls im manuellen Modus auf volle Leistung (1/1),
- den Zoom (falls vorhanden) auf 50 mm und
… richten den Blitzkopf auf die Zimmerdecke. Dann fotografieren Sie damit ein Objekt auf Ihrem Schreibtisch – beispielsweise eine Vase mit einem Blumenstrauß.
Ich wette, das Motiv ist nun korrekt belichtet. Warum ich mir da so sicher bin? Weil die klassischen Blitzgeräte mit durchschnittlicher Leistung (die mit dem drehbaren Kopf) alle recht ähnlich stark in der Leistung sind. Nach mehreren Jahren Erfahrung hat man hierbei ein gewisses Gefühl entwickelt.
Im vorangegangenen „Kapitel“ ging es ja um das Autofahren mit Automatikgetriebe (gemeint ist eigentlich das Automatische Blitzen). Bei der manuellen Bedienung Ihres Blitzgerätes müssen Sie jedoch schalten können.
Keine Panik – kein Fahrlehrer erwartet hier am Anfang einen reibungslosen Ablauf. Zunächst stellt sich die Frage, wann bzw. warum man überhaupt auf das verzichten sollte, woran viele Techniker, Ingenieure und Entwickler jahrelang herum tüftelten – auf die Belichtungsautomatik:
Wann ist das manuelle Blitzen sinnvoll?
Kurze Antwort: Im Studio / im Raum – immer dann, wenn es um reproduzierbare Ergebnisse geht, wenn man nicht befürchten muss, dass einem das Motiv wegläuft oder dass sich andere Variablen (insbesondere anderes Licht) kurzfristig ändern.
Bei der Anfertigung einer solchen Porträtfotografie käme ich nie auf die Idee einen Auto-Modus zu benutzen – weder an der Kamera noch an den hierzu nötigen Blitzgeräten. Jegliche Geräte befinden sich dann im manuellen Modus und jegliche Werte werden säuberlich manuell eingestellt (und mittels Testaufnahmen) überprüft.
Auch bei der Produktfotografie ergibt ein Auto-Modus keinen Sinn. Hier muss alles penibel ausgerichtet-, ausgemessen-, eingestellt werden.
Bei solchen Porträtaufnahmen im Gegenlicht jedoch – Wenn es schnell gehen muss – schätze ich die Automatiken, das Zusammenspiel von Kamera und modernem Systemblitzgerät.
Nicht immer natürlich passt das Ergebnis auf Anhieb.
Manuelle und TTL-Blitzgeräte
Man unterscheidet grob zwischen zwei Sorten von Aufsteck-Blitzgeräten:
- Blitzgeräte, welche eine automatische Lichtregulierung (TTL) unterstützen + manuelle Einstellungen zulassen sowie
- Blitzgeräte, welche rein manuell zu bedienen sind.
Wer also nie im automatischen Modus blitzen muss, weil man sich z. B. eh nur mit der Studio-Fotografie beschäftigt, kann viel Geld sparen und sich einfach nur manuelle Blitzgeräte besorgen. In den letzten 15 Jahren hat sich hier viel getan und insbesondere kleinere Hersteller aus Fernost bieten viel Technik für wenig Geld an.
Einen rein manuellen Blitz kann man leicht erkennen: Er besitzt nur einen einzigen Mittenpin (rechts im Bild).
Allerdings gibt es auch manuelle Geräte mit mehreren Pins am Fuß. Diese sind entweder unbelegt oder proprietär und übertragen z. B. ein Signal zur Blitzbereitschaft. Messdaten werden hierbei jedoch nicht übertragen
PHOTOOLEX Blitz Flash Speedlite für Canon Nikon Sony Panasonic Olympus Pentax Fujifilm Sigma Minolta und Andere SLR Digital SLR Film SLR Kameras und Digital Kameras mit Single-Kontakt Hot-Schuh | GODOX TT600 Kamera Blitz Speedlite GN60 Flash Speedlite Kompatibel mit Canon Nikon Fujifilm Pentax Olympus Panasonic Kameras (TT600) | NEEWER NW700-C Blitz GN60 TTL Flash Speedlite Kompatibel mit Canon DSLR Kameras, 1/8000s High Speed Sync Blitzlicht, 1/1-1/256 Ausgang TCM Funktion 230 volle Blitzleistung 0,1-2,7s schnelles Recycling |
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Was stelle ich hierfür an der Kamera ein?
Die Kamera sollte sich beim manuellen Blitzen ebenfalls im manuellen Modus befinden – Alle Einstellungen werden dann händisch vorgenommen:
Die berühmt-berüchtigte Stellung »M« am Kamera-Modus-Auswahlrad
Sie sollten hierbei idealerweise bereits etwas Erfahrung beim manuellen Fotografieren („M-Modus“) gesammelt haben. Mindestens jedoch sollten Sie wissen, wie Sie die ›Grundwerte‹ ändern können – Hier gibt es seit 150 Jahren nur drei tatsächlich relevante Einstellungen bzw. Werte:
- ISO-Wert
Stellen Sie die Lichtempfindlichkeit der Kamera für das manuelle Blitzen zunächst auf ISO 100 ein. Dieser Wert kann später erhöht werden, wenn man merkt, dass die Leistung des Blitzgerätes nicht ausreicht.
- Blende
Wählen Sie zunächst eine Blende von 5.6. Der Blendenwert kann durchaus verringert werden. Inwiefern er erhöht werden kann, hängt von der Leistungsfähigkeit des Blitzgerätes ab. Grundsätzlich wählt man die Blende zunächst nach der gewünschten Schärfentiefe aus.
- Belichtungszeit
Stellen Sie zunächst eine feste Belichtungszeit von 1/125 Sekunde an der Kamera ein. Es kann auch eine viel längere eingestellt werden (z. B. 1/30), um damit auch Umgebungslicht einzufangen. Doch das interessante Thema ›Mischlicht‹ soll in einem anderen Beitrag besprochen werden. Idealerweise wählen Sie hier zunächst die s. g. »Blitz-Synchronzeit« Ihrer Kamera.
Was ist die Blitz-Synchronzeit?
Die Blitzsynchronzeit ist die schnellste Belichtungszeit der Kamera, bei welcher sie das ultrakurze Licht des Blitzgerätes noch gescheit einfangen kann. Im Zweifel sollte diese eingestellt werden – aber keine kürzere (schnellere). Man findet diesen Wert in der Bedienungsanleitung der eigenen Kamera und zwar meist in der Tabelle der technischen Daten unter ›Verschluss‹:
Die meisten modernen Kameras besitzen eine Synchronzeit von ca. 1/200 Sekunde. Bei der 1/125 Sekunde kann man im Zweifel nichts falsch machen.
Moderne Kameras bzw. kompatible TTL-Systemblitzgeräte bieten häufig zusätzlich die s. g. »HSS-Kurzzeit-Synchronisation« („Highspeed Sync“). Hierbei kann tatsächlich bei sehr kurzen Zeiten geblitzt werden (deutlich zu Lasten der Reichweite allerdings). HSS ist bei fast allen rein manuellen Blitzen nicht möglich.
Hat man diese Einstellungen an der Kamera vorgenommen, hat man praktisch jegliche Kamera-Technologie-Errungenschaften der letzten 50 Jahre außer Kraft gesetzt: Man fotografiert damit wieder so wie zu Urgroßelterns Zeiten – Mit der großen Ausnahme natürlich, dass ein Display zur sofortigen Beurteilung der Bilder zur Verfügung steht sowie ein riesiger Bildspeicher.
Hinweis 1: Idealerweise fotografieren Sie im s. g. »RAW-Modus« Ihrer Kamera. Denn dadurch lassen sich Fehlbelichtungen später deutlich besser am Computer korrigieren als im JPG-Modus.
Hinweis 2: Viele Objektive bieten eine Bildstabilisator-Funktion an. Diese sollte beim Blitzen deaktiviert sein.
Was stelle ich am Blitzgerät ein?
Es gibt am Blitzgerät nur zwei relevante Einstellungen für den manuellen Betrieb:
- die Lichtleistung
Wie hell leuchte ich aus?
- der Lichtkegel („Zoom“)
Wie breit & weit leuchte ich aus?
Was ist der »Zoom«?
Bei modernen Blitzgeräten befindet sich die Blitzröhre innerhalb des Kopfes auf einer Schiene hinter einer Linse. Hierbei kann die Blitzröhre bewegt- und dadurch kann der Lichtkegel verengt- bzw. geweitet werden:
Durch das Ändern des Zooms ändert man zum einen den Lichtkegel, zum anderen die Helligkeit.
Insbesondere ältere Blitzgeräte aus „analogen Zeiten“ besitzen selten die Möglichkeit, den Lichtkegel zu variieren – zumindest nicht die Fähigkeit, ihn zu verengen. Diese alten Geräte sind außerdem meist sehr eingeschränkt darin, die Helligkeit manuell zu steuern: Oft lassen sie im manuellen Betrieb nur die maximale Leistung zu (selten bis zu 1/4 der Maximalleistung). Regulieren müsste man dann mittels Graufilter (Folien) vor der Blitzröhre, wodurch aber keine Energie gespart werden kann und das Nachladen lange dauert.
So ist es doch schön, dass die Hersteller seit ca. 25 Jahren mitdenken: Viele Ihrer Geräte lassen sich graduell-manuell steuern:
Auf dem großen Display sieht man, wie Folgendes eingestellt wurde:
- Das Gerät befindet sich im manuellen Modus ›M‹.
- Der Blitz wird nur 1/4 der maximal möglichen Leistung abgeben.
- Der Lichtkegel („Zoom“) ist manuell sehr eng eingestellt (200 mm).
Warum wird der Lichtkegel nicht in Grad angegeben?
Das Blitzlicht bzw. dessen Lichtkegel besitzt einen Abstrahlwinkel, also wäre es doch sinnvoll, diesen in Grad anzugeben (z. B. 20° für einen engen Winkel). Die Hersteller der Blitzgeräte beziehen sich beim „Zoom“ jedoch auf die Brennweite eines hierfür relevanten Objektives: Der Bildwinkel eines Objektives wird traditionell auch nicht angegeben – Stattdessen nutzt man Brennweiten-Angaben zur Unterscheidung, ob ein breites (Weitwinkel) oder schmales (Teleobjektiv) Sichtfeld erfasst wird.
Darauf beziehen sich dann die Brennweiten-Angaben des Zooms. Beispiele:
- 20 mm → sehr breiter Abstrahlwinkel
- 50 mm → moderater Abstrahlwinkel
- 100 mm → enger Abstrahlwinkel
So einen sehr eng eingestellten Lichtkegel nutzt man eigentlich beim direkten Blitzen, wenn ein entsprechend starkes Teleobjektiv beim Fotografieren verwendet wird. Dann wird nichts verschenkt, da das Tele ja ohnehin die (ansonsten ausgeleuchteten) Randbereiche gar nicht „sieht“. Ich nutze ihn aber auch, wenn ich indirekt über eine weiße Wand blitzen möchte und sich diese recht weit entfernt von mir befindet. Den Zoom-Wert schätze ich dann einfach.
Sollte der Blitz aber auf kurzer Entfernung beispielsweise solch einen Blitzschirm oder eine Softbox vollständig ausleuchten, sollte man eine sehr geringe Zoom-Brennweite an ihm einstellen.
In diesen Fällen nutze ich zusätzlich noch einen Aufsteck-Diffusor (= noch breiterer Lichtkegel).
Die einzustellende Leistung erklärt sich von selbst: Erscheint das Motiv auf dem Display zu hell ausgeleuchtet, muss die Lichtmenge gedrosselt werden. Beispiele:
- 1/1 → volle bzw. maximal mögliche Blitz-Leistung
- 1/2 → halbe Leistung
- 1/4 → halbe Leistung der halben Leistung
- 1/64 → sehr geringe Lichtabgabe; usw.
Und was, wenn mein Motiv selbst bei der maximalen Leistung des Blitzgerätes zu dunkel ist? Dann kann an der Kamera der ISO-Wert erhöht werden (z. B. von ISO 100 auf ISO 200). Oder aber man öffnet die Blende etwas (z. B. von f/5.6 auf f/4). Mann kann das Blitzgerät (falls entfesselt) auch näher am Motiv positionieren. Hierbei ändert sich jedoch nicht nur die Helligkeit sondern auch die Lichtcharakteristik.
Sobald das primäre Blitzgerät Licht abgibt, blitzt ein zweites mit – ohne Verzögerung.
Hintergrundwissen: Nutzt man einen zweiten, gleich starken Blitz, verdoppelt sich die Lichtleistung. Um diese aber erneut verdoppeln zu können, müssen gleich vier Blitzgeräte zünden. Bei einer Vervierfachung der Lichtleistung einer einzelnen Lichtquelle müssten ganze acht gleich starke Lichtquellen leuchten. Manche Fotografen bauen sich dann spezielle Halterungen (englischsprachige Seite).
Beurteilung der Bilder am Kameradisplay
Heute ist das manuelle Blitzen sehr einfach: Man sieht ja sofort auf dem Display, ob die Belichtung „sitzt“ oder ob hier etwas korrigiert werden muss. Mit der Zeit wird man seine Technik auch immer besser kennen und nicht selten passen die ersten manuellen Einstellungen bereits.
Das mir wichtigste Hilfsmittel zur Beurteilung, ob die Beleuchtung ausreichend stark oder ggf. zu schwach war, ist das Histogramm. Damit ist das Diagramm mit den Bergen gemeint. Idealerweise ist hier weder am Anfang noch am Ende etwas beschnitten (also noch Platz; siehe Abbildung). Wenn man im RAW-Modus fotografiert, hat man später bei der Bildbearbeitung noch einige Reserven zum Verschieben dieser Tonwerte mehr zur Verfügung als beim Fotografieren im JPG-Modus.
Als es noch keine vernünftigen Digitalkameras gab, nutzte man bei der manuellen Kunstlichtfotografie übrigens Polaroid-Rückteile an den analogen Studiokameras – insbesondere jedoch um die Lichtcharakteristik zu beurteilen. Das ging ganz schön ins Geld. Gemessen wurde zuvor mit Blitz-Belichtungsmessern.
x Wer jedoch häufig Personen bei je unterschiedlichen Licht-Konstellationen fotografiert, wird deren Laune ggf. strapazieren, wenn man zunächst zwanzig Testaufnahmen macht. Mittels Belichtungsmesser hat man die Intensität der Leuchten schnell ausgemessen und man gibt mit so einem Gerät für Außenstehende auch noch eine professionelle Figur ab.
Im Grunde ist das Thema Manuelles Blitzen an dieser Stelle abgefrühstückt. mit dem Kameradisplay bzw. mit dessen Histogramm hält man das beste Kontrollinstrument hierfür in der Hand. Wer wissen möchte, wie man auch ohne so einen Monitor treffsicher manuell beleuchten kann, lese weiter:
Die Leitzahl
Anfangs nutze ich ja das Auto als Metapher. Also: Der Motor eines solchen Autos besitzt eine gewisse Leistung – die PS-Leistung. Das weiß jedes Kind. So ein Blitzgerät besitzt auch eine entsprechende Leistung und diese wird traditionell in Leitzahl (LZ) angegeben. Im Englischen spricht man von guide number (GN). Diese Leitzahl ist vom Prinzip her die PS-Angabe für Blitzgeräte – je mehr desto besser.
Diesen Wert muss man eigentlich nur aus zwei Gründen wissen: Zum einen benötigt man ihn, wenn man vor einem Kauf die Leuchtstärke mehrerer Geräte vergleichen möchte. Zum anderen braucht man ihn, wenn man keine visuelle Kontrolle via Display vor Ort über das Bild hat und auch keinen Blitz-Belichtungsmesser. Dann muss man nämlich rechnen.
Abhängigkeiten von ISO und Lichtkegel (Zoom)
Ganz so einfach wie beim Auto ist die Sache dann doch wieder nicht. Grundsätzlich sollte der Hersteller eines Blitzgerätes dessen Leitzahl stets für einen ISO-Wert (Kameraempfindlichkeit) von ISO 100 angeben. So war es lange Zeit üblich.
Manche tricksen hier jedoch: Um mit einer vermeintlich höheren Leitzahl glänzen zu können, wird diese für ISO 200 angegeben. Damit erhält man dann fantastische Daten und versucht so, die Gunst des Kunden zu gewinnen. Dabei ist die Leuchtleistung genau so wie die der Geräte der Konkurrenz, vielleicht sogar noch schwächer.
Es kommt noch besser: Oben hatte ich ja beschrieben, dass sich die Leuchtstärke erhöht, wenn man den Lichtkegel einengt (durch den „Blitzkopf-Zoom“). Auch dies machen sich manche Hersteller zunutze. Traditionell wird die Leitzahl für einen leicht weitwinkligen Leuchtkegel angegeben – nämlich bei einem Blitz-Zoom von lediglich 35 mm.
Bei meinem aktuellen Blitzgerät beispielsweise gibt der Hersteller eine tolle Leitzahl an: LZ 60! Erst im Kleingedruckten ist zu erfahren, dass sich diese auf einen enorm engen Lichtkegel (Zoom von 200 mm) bezieht. Bezogen auf die besagten 35 mm besitzt mein Blitz aber eine andere, völlig gewöhnliche Leitzahl: LZ 36.
Ich nutze eine App zum manuellen Blitzen (s. u.). Zunächst muss diese jedoch mit Basiswerten gefüttert werden – mit Leitzahl-Werten bezüglich einer ISO 100 Sensor-Empfindlichkeit. Da bringen mir „Mondwerte“ nichts.
Wo finde ich die Leitzahl meines Blitzgerätes?
Wenn man manuell blitzen möchte und zwar mit der Leitzahl als Grundlage für Berechnungen (für eine App oder für Tabellen), benötigt man diesen Wert. Also schlägt man die Bedienungsanleitung des Blitzgerätes auf.
Wenn man Glück hat, findet man darin so eine Tabelle:
(Hier nicht relevante Felder wurden von mir ausgegraut.)
Diese Tabelle sagt mir folgendes:
- Sie gilt nur für ISO 100
(Die Kamera ist auf diese Empfindlichkeit eingestellt.)
- Mir geht es natürlich um die volle Leistung (1/1).
- Ich möchte die Leitzahl für einen „Zoom“ (Leuchtkegel) von 35 mm wissen. Dies ist eigentlich die traditionelle Brennweitenangabe, bei welcher Leitzahlen angegeben werden.
- Und hier habe ich endlich meinen Leitzahl-Wert: LZ 36.
Dies ist ein typischer Wert: Die meisten besseren Systemblitzgeräte besitzen einen ähnlichen, auch wenn der Hersteller diese Angabe schönt.
Ich gehe davon aus, dass bei den Anleitungen vieler (insbesondere günstiger) Blitzgeräte solche Tabellen – für unterschiedliche Umstände x – nicht zu finden sind. Stattdessen wird es häufig nur eine einzige Angabe wie Leitzahl 60 (bei 200 mm und ISO 100) bei den Angaben über die technischen Details geben. Wer blitzt bei 200 mm?
x Gemeint sind die unterschiedlichen ISO- und Brennweitenwerte.
Leitzahl für andere ISO-Werte umrechnen
Wenn man die Leitzahl des Blitzgerätes für einen bestimmten ISO-Wert kennt (bei einer bestimmten Zoom-Einstellung des Blitzkopfes), kann man diesen leicht umrechnen, wenn man bei einer anderen ISO-Einstellung an der Kamera blitzen- bzw. sich hierfür eine Tabelle (s. u.) anfertigen möchte:
Beispiel: Die Leitzahl (LZ) meines Blitzgerätes beträgt bei ISO 100 LZ 36. Ich möchte aber bei ISO 200 fotografieren. Also rechne ich um:
36 * 1,4 = 50,4
So kommt die Marketing-Abteilung der Hersteller also auf die hohen Werte für die Werbung. Jetzt möchte ich aber mit der doppelten Kameraempfindlichkeit, also bei ISO 400 fotografieren. Daher rechne ich weiter:
50,4 * 1,4 = 70,56
Das ist schon eine sehr starke Leitzahl. Damit kann man spielend eine Softbox vor dem Blitz nutzen – aber eben erst bei ISO 400!
Leitzahl für andere Lichtkegel (Zoom) umrechnen
Je enger der Lichtkegel, desto stärker wird das Licht hierbei. Also erhöht sich hierbei die Leitzahl. Einige Hersteller geben in den Bedienungsanleitungen eine Tabelle an, aus welcher diese Angaben hervorgehen – andere tun dies leider nicht.
Zwar kann man hier keine allgemeingültigen Angaben machen. Man kann aber wagen, die Faktoren bzw. Divisoren aus einer bereits vorhandenen Tabelle zu extrahieren und diese auf das eigene Modell übertragen:
Zoom-Position (mm) | 14 | 20 | 24 | 28 | 35 | 50 | 70 | 80 | 105 | 135 | 200 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Divisor / Faktor | 2,4 | 1,4 | 1,3 | 1,2 | 1 | 1,2 | 1,4 | 1,5 | 1,6 | 1,6 | 1,7 |
Grundlage: Absolute Angaben Tabelle Bedienungsanleitung ›Yongnuo YN685‹
Als Basis dient eine Leitzahl-Angabe für einen Lichtkegel bzw. für eine Zoom-Stellung des Kopfes für 35 mm. Diese Leitzahl kann dann einfach mit simpler Multiplikation bzw. Division entsprechend angepasst werden – je nachdem bei welchem Leuchtkegel man blitzen möchte.
Beispiel: Mein Blitzgerät besitzt ja bei einer Reflektorstellung („Zoom“) von 35 mm eine Leitzahl von 36. Wie hoch wäre dieser Wert dann, wenn ich den Zoom auf 135 mm erhöhe?
36 * 1,6 = 57,6
Auch dies kann also recht einfach umgerechnet werden.
Eine Blitzleistungs-Tabelle anlegen
Die Sache mit der Leitzahl musste leider erst einmal geklärt werden. Jetzt kann sich endlich der Tabelle gewidmet werden, mittels welcher man sein Blitzgerät auch ohne Belichtungsmesser und ohne Kameradisplay relativ treffsicher nutzen kann.
Es geht hierbei also um zwei Variablen. So schaut meine Tabelle aus – Ich hatte sie direkt auf den Blitzkopf geklebt:
Eigentlich sind dies zwei Blitz-Tabellen – einmal relevant für ISO 100 und einmal für ISO 400. Beide Spalten beziehen sich aber auf einen festen Zoomwert: 50 mm.
Die nötige Blende rechnet man folgendermaßen aus:
Blende = Leitzahl / Entfernung
Mit dieser Formel hatte ich mir meine Tabelle erstellt. In der Praxis schaut dies dann so aus: Ich schätze die Entfernung zwischen Motiv und Blitzlicht. Dann lese ich einfach den hierfür relevanten Blendenwert ab und übertrage diesen auf mein Objektiv (Kamera im manuellen Modus).
Die Belichtungszeit ist für das Blitzlicht egal. Sie sollte jedoch nicht kürzer als die für die Kamera gültige Blitz-Synchronzeit sein (s. o.). Bei der 1/125 S. macht man im Zweifel meist nichts falsch. Wählt man längere Belichtungszeiten kann entsprechend mehr Umgebungslicht (falls vorhanden) eingefangen werden, wodurch es dann zu einer Mischlichtsituation kommt.
Hinweis: Ich habe auch einen Online-Rechner erstellt, um sich eine solche Tabelle bequem erstellen zu lassen.
Korrekturwert Softbox
Wer durch eine Softbox oder durch einen Blitzschirm beleuchtet (siehe auch → Blitzen durch Lichtformer), verliert min. eine Blende Licht. Daher muss man dies beim Ablesen berücksichtigen – also beispielsweise bei einem 3m-Abstand zwischen Softbox und Motiv nicht Blende 8 1/3 einstellen sondern 5.6 1/3. Diese Werte kann man natürlich runden.
Korrekturwert entfesselter Blitz
Ich habe festgestellt, dass die Helligkeit eines angeblitzten Motivs eine geringere ist, wenn das Licht hierbei nicht von vorne aus der Sichtachse einfällt sondern schräg von der Seite – beim selben Abstand und bei der selben Leistung.
Wie kommt das denn? Bei schräg einfallendem Licht kommt es zu geringeren Reflexionen. Daher erscheinen viele Motivpartien dann – trotz der selben Lichtmenge – etwas dunkler. Auch hier korrigiere ich um eine Blende, genau so wie bei der Softbox.
Immer wenn ich entfesselt blitze, rechne ich daher mit einer anderen, geringeren Leitzahl meines Blitzgerätes. Den Wert aus der Bedienungsanleitung dividiere ich dann mit 1,4 und nenne das Ergebnis »konservative Leitzahl«.
Beim indirekten Blitzen
Beim indirekten Blitzen – z. B. über die Zimmerdecke – verlängert sich der Weg des Lichtes: Es folgt grob diesen Weg: Blitzlicht → Wand → Motiv. Daher ist in diesem Fall nicht der Abstand zwischen Blitzgerät und Motiv relevant sondern die Summe aus: Distanz 1 (Blitzgerät → Wand) + Distanz 2 (Wand → Motiv).
Außerdem schluckt eine weiße Wand ca. eine Blende Licht. Wie bei der Softbox muss man also auch hier einen Blendenwert abziehen, wenn man diesen aus der Tabelle abliest.
Beispiel: Der Kopf meines Blitzgerätes ist auf einen Punkt der weißen Zimmerdecke gerichtet, welcher sich ca. 2 Meter vom Blitz entfernt befindet. Vor mir steht eine Person. Ihr Abstand zum besagten Punkt dort oben beträgt ca. 3 Meter. In der Summe muss das Licht also ungefähr 5 Meter zurück legen, bis es auf das Motiv trifft. Ich lese auf meiner Tabelle folgendes ab: Bei einer Gesamtentfernung von 5 Metern muss ich ca. Blende 4 an der Kamera einstellen (ISO-100-Spalte).
Doch Halt! Man muss ja jetzt noch das Lichtschluckverhalten der Wand bedenken (bzw. die Streuung des Lichtes). Also muss noch eine Blende abgezogen werden. Daher würde bei der hier geschilderten Situation eine Objektiv-Blende von 2.8 für eine korrekte Belichtung sorgen.
Dieses Rechnen ist sicherlich nur für die analoge Fotografie relevant. Bevor ich dort aber mit Korrekturwerten arbeite oder mir überlegen muss, wie viel Licht welche Reflexionsfläche „schluckt“, greife ich lieber gleich zum Blitz-Belichtungsmesser. Zumindest für das direkte manuelle Blitzen empfiehlt sich jedoch solch eine App:
App für manuelles Blitzen
Es gibt einige nützliche Smartphone-Apps für Fotografen. Eine davon nennt sich »Manual Flash Calculator«. Mittels ihr kann man Abstände, Blenden, Zoom- und Leistungseinstellungen berechnen und zwar so, dass dabei alles in Waage bleibt:
»Manual Flash Calculator« scheint es (?) leider nur für Android-Smartphones zu geben.
Beispiel: Bei einer Entfernung von 7,5 m zum Motiv, wird dieses mit einem zuvor in den Einstellungen definierten Blitzgerät korrekt belichtet, wenn:
- die Blende der Kamera auf 5.6 eingestellt wird,
- der ISO-Wert der Kamera auf 200,
- die Leistung des Blitzgerätes auf 1/4 und
- der Lichtkegel-Zoom auf 50 mm.
Ändere ich einen dieser Werte, ändert sich gleichzeitig die angezeigte Entfernung. Oder anders herum: Wenn die Entfernung zum Motiv bereits fest steht, kann ich beliebig an den Reglern spielen, da sich die dazugehörigen Werte gegenseitig beeinflussen. Ich kann beispielsweise die Blitz-Leistung reduzieren und sehe dann, inwieweit ich die Blende öffnen müsste, damit die oben angezeigte Entfernung gleich bleibt.
Es gibt bei der App noch den Regler „FEC“. Damit kann eine Blitzkorrektur mitberechnet werden. Dies ist sinnvoll, wenn man ein Motiv gar nicht zu 100% beleuchten- sondern es mit reduzierter Leistung aufhellen möchte (negativer Bereich). Oder man blitzt durch einen Diffusor-Schirm: Dann müsste hier ein positiver Wert (z. B. +1 EV) eingetragen werden, um dessen Lichtschluck-Verhalten zu berücksichtigen.
Ganz am Anfang muss man einmalig in den Einstellungen der App die Leitzahl des jeweiligen Blitzgerätes für ISO 100 eingeben – und zwar für jede gewünschte Zoom-Einstellung des Blitzkopfes (falls dieser so etwas kann) → siehe oben die Tabelle. Danach übernimmt die App das Rechnen. Sehr praktisch!
Zusammenfassung
Manuelles Blitzen ist heute weiterhin relevant – insbesondere natürlich im Bereich Studiofotografie. Kein Mensch wird dort jedoch mit „Leitzahlen“ herum hantieren. Diesen Bereich habe ich der Vollständigkeit halber in diesem Artikel untergebracht – bewusst am Ende. Nur für Freunde der analogen Fotografie wäre dies ein nicht ganz unwichtiges Wissen.
Wenn ich draußen mit Blitzlicht fotografiere, wenn es schnell gehen muss, dann nutze ich natürlich möglichst die TTL-Automatik. Wenn ich die Zeit dazu habe, schätze ich das manuelle Blitzen. Denn nur dadurch hat man sein Licht tatsächlich unter Kontrolle.
Hallo und was für eine tolle übersichtliche Seite zum Thema! Ich weiß, das Display der Digitalkamera ist mit dem Histogramm natürlich ein tolles Hilfsmittel. So etwas hatte wir früher nicht. Aber wie du schreibst, ist das permanente Auslösen bzw. Anfertigen von Testaufnahmen für Models nicht sonderlich zumutbar. Besser ist es tatsächlich, wenn man die Lichtquellen erst einmal mit einem Blitzbelichtungsmesser ausmisst bzw. einstellt. Das Modell muss derweil noch nicht posen. Diese alte Technik möchte ich auch nicht missen. Blitzbelichtungsmesser werden ja weiterhin hergestellt. Ich bin bestimmt nicht der einzige, der diese Dinger benutzt.
Viele Grüße!
Danke für den Kommentar! Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Produkt- bzw. Reprofotografie. Menschen habe ich selten vor der Kamera. Aber ich denke, du hast hier Recht, zumindest was das Arbeiten / Beleuchten außerhalb eines festen Studios mit routinierten Abläufen bzw. Aufbauten angeht.
Hallo und danke für den ausführlichen Artikel! Dies hat mir schon sehr viel weiter geholfen. Nur eine Frage: Wozu sollte man beim Blitzen den Bildstabilisator ausschalten?
Hallo, ich hatte dies erwähnt, weil ich denke, dass es bei kurzen Verschlusszeiten (die beim Blitzen ja meist üblich sind) zu „Irritationen“ kommen kann: Der Blitzimpuls ist äußerst kurz, mittendrin versucht dann der Bildstabilisator damit zurecht zu kommen, wird aber zu langsam sein: Die interne Linsenbewegung könnte dann Unschärfen verursachen. Er wäre hier kontraproduktiv und wird in diesem Fall ja auch gar nicht benötigt: Beim Blitzen kann man an der Kamera regelrecht wackeln: Dadurch dass der Blitz selber extrem kurz ist, wird es ohnehin ein scharfes Bild geben.
Außnahme: Blitzen bei langen Verschlusszeiten (Mischlicht). Dann spielt ja die Umgebungshelligkeit eine Rolle und man würde beispielsweise in der Dämmerung ein Stativ benötigen. Hier kann der Bildstabilisator doch etwas Positives beitragen bzw. wäre wieder in der „gewohnten“ Umgebung.