Mischlicht: Tageslicht & Blitzlicht mixen
Mit Hilfe des vorhandenen Tageslichts kann hartes Blitzlicht „besänftigt“ werden: Schattierungen erscheinen plötzlich angenehmer und dem ungeübten Auge fällt gar nicht auf, dass geblitzt wurde. Dennoch wirken solche Fotografien deutlich prägnanter als bei Aufnahmen ohne Kunstlicht. Dies regelt man mit der Belichtungszeit an der Kamera.
Wenn Blitzlicht nur innerhalb von Räumen bzw. in einem Fotostudio eingesetzt wird, ist dieses Thema kaum von Belang: Hier ist es so dunkel, dass das Kunstlicht stets die einzige relevante Lichtquelle darstellt: Mittels Lichtformer und ggf. mittels dem indirekten Blitzen über Wände bzw. Reflektoren kann dieses in dessen Härte bzw. Charakteristik beeinflusst werden.
Draußen jedoch bzw. in helleren Räumlichkeiten existiert ein permanentes, möglichst diffuses Licht – das Tageslicht. Dieses kann man sich auch beim Blitzen zunutze machen. Hierfür ist die an der Kamera einzustellende Belichtungszeit relevant:
Die Belichtungszeit der Kamera beim Blitzen
Normalerweise ist beim Fotografieren mit einem Blitzgerät anzuraten, an der Kamera die s. g. »Blitz-Synchronzeit« als Belichtungszeit (Verschlusszeit) einzustellen – meist 1/200 Sekunde. Damit kann man nichts falsch machen. Denn für das angeblitzte Motiv ist die Belichtungszeit (zunächst) nicht relevant.
Was ist die Blitz-Synchronzeit?
Die Blitzsynchronzeit ist die schnellste Belichtungszeit der Kamera, bei welcher sie das ultrakurze Licht des Blitzgerätes noch gescheit einfangen kann. Im Zweifel sollte diese eingestellt werden – aber keine kürzere (schnellere). Man findet diesen Wert in der Bedienungsanleitung der eigenen Kamera und zwar meist in der Tabelle der technischen Daten unter ›Verschluss‹:
Die meisten modernen Kameras besitzen eine Synchronzeit von ca. 1/200 Sekunde. Bei der 1/125 Sekunde kann man im Zweifel nichts falsch machen.
Bedenke: Ist das Umgebungslicht ungewöhnlich hell (grelles Sonnenlicht) und möchte man dabei mit offener Blende blitzen, gelingt dies nur mit einer Kamera-Blitz-Kombination, welche die s. g. HSS-Kurzzeitsynchronisation beherrscht. Denn bei so starkem Umgebungslicht wäre die erlaubte Blitz-Synchronzeit bereits zu langsam. Ein Funkauslöser müsste dies dann auch unterstützen, falls genutzt.
Wie eingangs erwähnt: Wenn man aber den Pfad der Synchronzeit verlässt bzw. auch bei längeren Zeiten blitzt, hat man ein großartiges Mittel zur Hand, Kunstlicht und Umgebungslicht zu mischen – wie bei den Tonspuren einer Musikproduktion:
Porträt bei unterschiedlichen Belichtungszeiten
Wie sich ein Variieren der Belichtungszeit beim Blitzen visuell für beispielsweise ein Porträt auswirkt, kann man gut anhand dieses Tableaus sehen:
Hinweis: „Blitz 1/4“ bedeutet lediglich, dass der manuelle Blitz bei diesem Aufbau mit bereits 1/4 seiner Leistung das Motiv zu 100% korrekt beleuchtet.
Dies war ein grauer Novembertag. Mein Model sitzt auf einer Bank unter einem transparenten Verandadach. Das Umgebungslicht bei diesen Aufnahmen ist schwach und diffus. Dieses Tageslicht kommt von oben und von vorn.
- Bild 1: Hier wurde gar nicht geblitzt. Ich nutzte zum Fotografieren einfach das vorhandene Licht (»available light«). Dieses war zwar sehr schwach, aber dank Bildstabilisator am Objektiv konnte dennoch ohne Stativ fotografiert werden. Dieses Umgebungslicht ist von seiner Qualität für so ein Porträt auch gar nicht ungünstig – etwas langweilig vielleicht.
- Bild 2: Nun positionierte ich einen entfesselten Blitz rechts außerhalb des Bildes. Außerdem stellte ich an der Kamera eine recht flotte Belichtungszeit ein – die 1/180 Sekunde. Durch diese schnelle Belichtungszeit wird das schwache Umgebungslicht (fast) komplett ausgesperrt: Das Blitzlicht ist nun die einzige Lichtquelle. Diese Fotografie wirkt daher sehr theatralisch.
- Bild 3: Nun begann ich mit Mischlicht zu arbeiten – Ich ließ jetzt wieder einen Teil des Tageslichts für meine Fotografie zu, indem ich eine längere Belichtungszeit 1/15 Sekunde an der Kamera im manuellen Modus einstellte. Plötzlich erhält man wieder Schattenzeichnung. Mein Porträt erscheint vom Lichtcharakter her deutlich besänftigt. Die Intensität des Blitzes ist die selbe.
- Bild 4: Bei dieser Aufnahme hatte ich die Belichtungszeit der Kamera noch weiter verlängert – Ich blitzte bei der 1/8 Sekunde. Die Schattenzeichnung wurde weiter erhöht, Schatten erscheinen noch sanfter und gar nicht mehr so harsch wie beim Blitzen mit kurzer Verschlusszeit. Ein Laie würde sicherlich nicht auf die Idee kommen, dass hier ein Blitz im Spiel war. Vergleicht man diese Fotografie mit Bild 1, sieht man jedoch einen dezenten Unterschied.
Die Helligkeit des Kunstlichtes hatte sich bei allen Aufnahmen nicht verändert: Das Blitzgerät war bei Bild 2 bis 4 stets im manuellen Modus auf Leistung 1/4 eingestellt x. Es wurde je nur die Belichtungszeit der Kamera variiert.
x 1/4 daher, weil der Blitz sehr nah am Motiv stand. Es leuchtete mein Porträt natürlich zu 100% aus.
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Allerdings hatte ich bei der späteren Bildbearbeitung die globale Helligkeit der einzelnen Fotografien angeglichen. Denn wenn man beim Fotografieren dem Umgebungslicht eine Gewichtung von 100% (hier 1/8 S.) gönnt und dem Blitz ebenso, erhält man eine leichte Überbelichtung. So etwas kann man elegant im RAW-Konverter korrigieren. Was man dort aber nicht ändern kann, ist natürlich das Mischungsverhältnis zwischen Umgebungslicht und Blitzlicht. Dies muss man bereits beim Fotografieren mit der Wahl der Belichtungszeit regeln.
Was ist der RAW-Konverter?
Es ist sehr empfehlenswert, insbesondere beim Arbeiten mit (mehreren) Kunstlichtquellen, im s. g. RAW-Modus zu fotografieren. Die Bilder werden in der Kamera also nicht (nur) im JPG-Format abgespeichert sondern in einem Rohformat.
Anschließend werden diese Grafiken daheim am Computer in einem entsprechenden RAW-Konverter geöffnet:
In diesem Konverter können insbesondere die Belichtungszeit und die Farbtemperatur (Weißabgleich) sehr gut und in großem Umfang verlustfrei angepasst werden. Viele der besseren Bildbearbeitungsprogramme besitzen von Haus aus bereits einen integrierten RAW-Konverter.
Tageslicht besänftigt Schatten
Wie oben bereits angedeutet: Durch das Zulassen von Available Light beim Blitzen, hat man einen wunderbaren Aufheller für ansonsten harsche Schatten zur Hand, welche entstehen, wenn man einen Blitz ohne Blitzschirm oder Softbox nutzt. Mein Porträt wirkt bei dem harten Kunstlicht von der Seite + etwas zusätzlichem Umgebungslicht deutlich natürlicher – besitzt dabei aber einen gewissen Pfiff. Man mildert hierbei einen viel zu starken Kontrast.
Betrachten Sie sich bei Bild 1 die kleinen orangenen Pfeile: Sie sind auf kritische Schatten-Stellen gerichtet, welche der entfesselte Blitz nicht erreichen kann. Beim Aussperren des Tageslichts (Bild 2) sind diese komplett schwarz abgebildet. Diese Fotografie wirkt daher enorm theatralisch. Manchmal ist so etwas ja auch erwünscht: Insbesondere bei der S/W-Fotografie kann solch ein Licht eine entsprechende Wirkung entfalten – besonders bei „markanten Typen“ vor der Kamera.
In einer Sache jedoch kann das Hinzufügen von Umgebungslicht einer z. B. Softbox nicht das Wasser reichen: Ich rede vom Auslaufen der Schatten: Trotz dem Tageslicht als aufhellendes Element besitzen meine Schatten weiterhin harte Kanten. Allerdings fallen diese nun nicht mehr so stark auf, da die Schatten ja nun nicht mehr pechschwarz abgebildet sind.
Tipp: Wenn man sich anhand solcher Merkmale fremde Fotografien genauer betrachtet, kann man häufig herauslesen, welche Art von Licht der Fotograf eingesetzt hatte. Man sieht auch an den Schatten, aus welcher Richtung das primäre Licht kam.
Was stelle ich am Blitz ein?
Bei meinen Beispielbildern befand sich das Blitzgerät im manuellen Modus (siehe auch → manuelles Blitzen). Es gab bei Bild 2 bis Bild 4 stets die selbe Menge Licht ab. Die nötige Leistung (bei mir 1/4) ermittelte ich vorher mittels Testaufnahmen bzw. durch Beurteilen des Histogramms an der Kamera. Man kann aber auch einfach das aufgenommene Foto auf dem Display betrachten. Denn wenn man im RAW-Format (s. o.) fotografiert, kann man die (globale) Belichtung später noch korrigieren.
Was ist das Histogramm?
Das Histogramm ist dieses Berg-und-Tal-Diagramm. Idealerweise sollte hierbei links und rechts noch etwas Platz vorhanden sein (siehe Abbildung). Da beim entfesselten Blitzen bei kurzer Verschlusszeit jedoch tiefschwarze Schatten entstehen, wäre es hier nur natürlich, wenn der linke Bereich beschnitten ist. Verlängert man die Belichtungszeit, wird man sehen, dass nun links im Histogramm etwas Freiraum entsteht.
Man kann das Blitzgerät hierbei aber auch im TTL-Modus (→ automatisches Blitzen) betreiben, falls man einen TTL-kompatiblen Funkauslöser sein Eigen nennt. Ich verzichte möglichst darauf, denn da sich der Abstand zwischen Lichtquelle und Model normalerweise kaum ändert, reicht es, wenn man einmalig eine feste Lichtleistung manuell einstellt.
Noch ein Beispielfoto bei Mischlicht
Bei dieser Fotografie war das Blitzlicht relevant für die Ausleuchtung des Raumes. Durch den indirekten Blitz über die Zimmerdecke wurde es stark gestreut und ich erhielt hierbei diese absolut gleichmäßige Ausleuchtung.
Nun kam die Wahl der Belichtungszeit ins Spiel – nämlich für die Intensität des Außenbereiches. Ich wählte eine recht lange Zeit (ca. 1/30 S.), um das trübe Außenlicht genügend Einfangen zu können. Nur so war es mir möglich, die Hausfassade vor dem Fenster außerhalb des Zimmers genügend abbilden zu können.
Hätte ich hierbei jedoch eine schnelle Verschlusszeit gewählt (z. B. 1/200 S.), wäre das Fensterglas fast schwarz abgebildet bzw. es hätte sich der Raum darin viel deutlicher gespiegelt. Für den Raum selbst hätte es hierbei jedoch keine Änderung gegeben: Für das nur mittels Blitzlicht beleuchtete Motiv ist die gewählte Belichtungszeit innerhalb eines großen Spielraums fast egal – da das Fensterlicht bei diesem Beispiel kaum zur Belichtung des Raumes beiträgt.
Durch die lange Belichtungszeit erhielt ich also diesen doch recht surrealen Bildeindruck mit dem schönen Maistrauß auf dem Fensterbrett. Gewusst wie!
Beispiel bei dominierendem Tageslicht
Bei den bisherigen Beispielen war das Kunstlicht stets als primäre Lichtquelle gedacht und das Tageslicht diente als »Fülllicht«. Bei diesem Foto war es gedanklich genau anders herum aber vom Prinzip her das Selbe: Schatten sollten erhellt werden:
Links sehen Sie die ›normale‹ Aufnahme ohne Blitzlicht. Rechts wurde zusätzlich noch geblitzt. Alles wirkt dadurch etwas heller, ausgeglichener. Die Schatten wurden dieses Mal nicht durch das Tageslicht aufgehellt – sondern durch den Blitz. Es galt hier also, die Intensität des Kunstlichtes genau zu steuern und weniger die des Umgebungslichtes. Mit dieser Technik hatte ich mich schon in einem anderen Artikel beschäftigt → Aufhellblitzen bei Tageslicht / Sonnenlicht.
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Fazit
Wie man anhand der Beispielfotos sieht, lohnt es sich manchmal, auch über die Belichtungszeit beim Blitzen nachzudenken. Dies wäre immer dann relevant, wenn ein genügend helles Dauerlicht während der Aufnahmen vorhanden ist. Dieses kann ebenfalls Kunstlicht sein. Jedoch sollte man hierbei bedenken, dass jenes eine andere Lichtfarbe als der Blitz besitzen kann. Ggf. müsste man dann einen Korrekturfilter vor dem Blitzgerät zum Angleichen nutzen. Es drohen ansonsten unlogische Farbkombinationen (z. B. gelbliche Schatten).
In einem Fotostudio beispielsweise wird die Belichtungszeit der Kamera wohl kaum eine Rolle spielen: Hier stellt man einfach die jeweilige Blitz-Synchronzeit (s. o.) der Kamera ein. Denn ein taugliches Umgebungslicht gibt es dort ja selten.